Aus „sehr hoch“ wird „hoch“

Immobilienpreise fallen – aber längst nicht ins Bodenlose

Hierzulande ist der Schrecken oft größer als die tatsächliche Katastrophe dahinter. Das gilt auch für den Immobilienmarkt und die dortige Preisentwicklung. Nachlässe in diesem Bereich werden vielfach als „rasan- ter Preisabsturz“ bezeichnet. Die Wahrheit dahinter: Die Preise geben zwar nach. Aber längst nicht so stark, dass der tatsächliche Wert einer Immobilie sich nicht mehr widerspiegelt.

Immobilienwert teils verdoppelt

Die Zeit zwischen 2010 und 2022 waren für Immobilieneigentümer und all die, die am Markt zusätzlich verdienen – wie Makler, Baufirmen, Architekten – von Goldgräberstimmung geprägt. Die Bankenkrise Ende der Nullerjahre verpasste dem Wohnungssektor ideale Rahmenbedingungen. Die Wertanlage der Immobilie war auf einmal begehrt wie nie und billiges Geld mit Zinsen nahe bei null erleichterte den Kauf. Die immer teurer werdenden Objekte fanden so trotzdem weiterhin rasch Abnehmer. Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2022 um rund 94 Prozent verteuert. Häuser und Wohnungen gewannen in dieser Zeit häufig nicht groß an Wohnwert dazu, dafür verdoppelten sie sich beinahe im Preis. Zum Vergleich: Der tatsächliche allgemeine Wertverlust aufgrund von Inflation lag in dieser Zeit laut Statistischem Bundesamt bei circa 25 Prozent. Vor diesem Hintergrund wirken aktuelle Preissenkungen nicht wie das Ende des Abendlandes, sondern eher wie längst notwendige Korrekturen, die sich dem tatsächlichen Wert der Immobilien wieder annähern. Zu diesem Ergebnis kommen auch Experten des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Im Wohnatlas der Postbank analysieren sie, in welchen Regionen die Preise besonders stark gefallen sind. In den sieben größten Städten Deutschlands sanken die Kaufpreise für Eigentumswohnungen real um 12,7 Prozent, in den sonstigen Großstädten um 11,4 Prozent, in den Mittelstädten um 10,8 Prozent und über alle Landkreise hinweg um 9,7 Prozent. „Nach mehreren Jahren des besonders kräftigen Anstiegs überhitzten die lokalen Immobilienpreise in den Metropolregionen. In den beliebten Großstädten und ihrem Umland sind die Anpassungen nun besonders stark zu spüren“, erklärt Manuel Beermann, Immobilienexperte bei der Postbank.

Wohnungen vielfach noch überbewertet

Was die Analyse des HWWI zeigt: Selbst wenn Preise aktuell stark sinken, sind Immobilien teils immer noch überbewertet. Beermann drückt das so aus: „Die Preise für Eigentumswohnungen, beispielsweise im Großraum München oder Hamburg, befinden sich auch 2023 noch auf einem sehr hohen Niveau, welches fundamental nicht immer gerechtfertigt ist.“ Wenn man nun aktuellen Prognosen glaubt, dass der Markt vielfach auf dem jetzigen Preisniveau wieder zusammenfinden könnte, erscheint der proklamierte Absturz in einem deutlich anderen Licht. Immobilieneigentümer könnten demzufolge mit einem blauen Auge davonkommen. Und ein Stück weit ihre goldene Nase behalten. Christoph Kastenbauer